Alles hat seine Zeit….

Keine Starenschwärme kreisen mehr über uns, sie haben ihre weite Reise angetreten, während wir noch zu Hause sind. Nichts in uns und nichts um uns zieht uns in die Ferne. Ganz im Gegenteil, wir fühlen uns hier in unserem warmen Daheim sicher und wohl und vertrauen ganz darauf, dass wir unserer inneren Stimme folgen werden, die uns zu gegebener Zeit zum Aufbruch auffordert, oder auch nicht. Manchmal bekomme ich die Frage gestellt, warum wir noch nicht weg sind…. Ja, warum sind wir noch nicht weg? Weil mich seit vier Wochen 2 Bandscheibenvorfälle schwer in meiner Beweglichkeit einschränken und die Schmerzen und die Ohnmacht meine ganze Energie fesseln, ist eine Antwort, doch die Antwort, die mir besser gefällt ist die, dass mich noch nichts gezogen hat, um in den Süden aufzubrechen… Spannend ist hier die Frage, habe ich nun die Bandscheibenvorfälle bekommen, weil ich mich trotz der fehlenden Abreisesignale auf den Weg machen wollte, oder war es Vorsehung, dass ich mich nicht auf den Weg machte, da mir diese Einschränkung drohte???

Es kann so und so sein, doch gleichgültig von welcher Seite ich es betrachte, heute mit ein bisschen Abstand und viel viel weniger Schmerzen, kann ich das was ist akzeptieren und genieße mit T. die Zeit daheim.

Daheim, zu Hause, Heimat ist für mich ein innerlicher und äußerlicher Fixpunkt. Ein Zustand, ein Ort an dem ich mich wohl, geborgen, sicher, entspannt fühle. Ich spüre wie wichtig es für mich ist, jetzt mit dieser Einschränkung an einem sicheren Ort zu sein, ohne große Anstrengungen, die ein Leben im Wohnmobil auch mit sich bringt, mit lieben Menschen in der Nähe und ärztlicher Hilfe ohne Sprachbarriere…

T. und ich beobachten bei unseren Gesprächen, wie wichtig uns Heimat ist, auch der Ort, der Platz an dem wir leben. Wir sind Zugvögel und immer wieder zieht es uns hinaus, doch es gibt auch Momente, da ist es nirgendwo auf der Welt schöner, als daheim in unserem Nest. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit T. ein Daheim habe. Ein Stückchen auf dieser Erde, an dem wir uns wohl und geborgen fühlen, uns zurückziehen und auftanken können, wenn der Wind draußen zu scharf bläst und die Kälte der Welt uns erschauern lässt.

Auch wenn  wir daheim sind begegnen wir Menschen, lassen sie bei uns sein, besuchen sie und somit kommt Leben in uns und ins Haus, wir teilen was wir haben und werden reich beschenkt, erzählen von unseren Erlebnissen, Wünschen und Plänen und hören zu und dann sind die große weite Welt und die Menschen, denen wir auf unseren Reisen begegneten auf einmal ganz nahe und der Wunsch in die Ferne zu ziehen ganz weit weg….

Und so hat eben alles seine Zeit und jetzt ist die Zeit die Beine etwas stiller zu halten, das Erlebte zu teilen, um nicht in einen Rausch des Konsumierens zu verfallen, denn auch Reisen und Unterwegssein kann zum Konsum werden. Darum geht es uns nicht, wir wollen achtsam und in unserem Tempo unterwegs sein, in uns und um uns, damit wir hören und fühlen können, welche Zeit ist….

Wann geht es los???

Über Winter

Kraniche ziehen mit kreischen und piepen über uns hinweg. Der Herbst ist da. Die Natur bereitet sich auf den Winter vor. Ein Farbenspiel, das ich nicht in Bildern einzufangen wage, Sonnenstrahlen, die mir direkt ins Herz scheinen, Kraniche, Gänse, Stare, die sich sammeln und gemeinsam ihre lange Reise Richtung Süden antreten.

Auch uns zieht es nach Süden….dorthin wo es warm ist, die Sonne scheinbar nie ganz verschwindet, die Bäume grün bleiben und wir draußen leben können. Der Winter, der letzte Winter mit seinem nicht endenwollenden Dunkel hat uns träumen lassen von Licht und Wärme und dieses Jahr wollen wir es wagen, unseren ganzen Mut zusammenpacken, um uns aufzumachen, irgendwohin, wo der Winter wärmer und heller ist, als hier in der Mitte Deutschlands.

”Eigentlich” standen ab Juli  alle Ampeln auf Grün, unser Vorhaben Anfang November zu realisieren. Doch es ist anders. So anders, dass ich es garnicht in Worte fassen kann, wie anders. Anders, wie unsere Köpfe es uns einreden wollen und vielleicht so anders, wie unsere Seelen es sich wünschen.

In 8 Tagen ist November und wir wissen, dass der 1. November nicht unser Abreisetag ist. Als unsere Über-Winter-Träume Gestalt annahmen, schwebte in mir ein Gedanke, zu Beginn des neuen Jahres loszufahren.

Die schönen Monate November und Dezember zu Hause in der warmen Stube zu genießen. Tee trinken, Dinge ordnen, die sich dank der warmen Tage aufgestapelt haben, Weihnachten mit meinen Lieben feiern und vor der großen Reise erst einmal zur Ruhe kommen, nach Innen kehren, all das Loslassen, was mich auf der Reise belasten könnte.

Als ich gestern T. meine Zweifel, meine Ängste, meine inneren Dialoge mitgeteilt habe, wurde es mit einem Mal leichter in mir. Der Druck fiel von mir ab, bis zu einem Tag X abfahrbereit zu sein.

Geht es mir wie den Kranichen, spüre ich tief in mir wann die Zeit da ist? Wie stand auf der Karte, die mich Marta (hier ein lieber Gruß dir Marta, auch an Reinhardt und Putri), unsere liebe holländische Nachbarin auf unserem Rheinstellplatz auswählen ließ: Ich brauche mich nicht rechtfertigen für meine Entscheidung.

Ja, ich will mich nicht rechtfertigen, doch mit T. meine Gedanken zu teilen ist für mich wichtig, um mich selbst besser zu verstehen und auch ihm die Möglichkeit zu schenken mich besser zu verstehen.

T. machte es mir leicht, auch er ist sich noch nicht so sicher, wohin und wann wir starten…. und als er heute Morgen die neuen Winterräder montieren wollte, zeigten sich unsere Zweifel auch in der Materie, denn sie passen nicht… sie passen trotz T. umsichtiger Wahl nicht…. ein Zeichen???…. wie heißt es in einer Weisheitsgeschichte: Ist es Glück, oder Unglück, man weiß es nicht….. Es ist so, wie es ist und wir werden eine Nacht darüber schlafen, um die Gunst des Schlafes zu nutzen, eine Entscheidung zu treffen. Heute genieße ich die Sonne , die sich in den bunten Blättern widerspiegelt, die Natur gibt alles, leert sich aus, lässt los. Auch ich bin Natur und wer weiß, vielleicht sollte ich mich auch in meinen bunten Kleidern zeigen, in den weniger werdenden Sonnenstrahlen tanzen, mich leermachen, loslassen, damit ich Platz schaffe für die Stille, die Ruhe in mir, um neuen Samen Zeit zum Reifen zugeben, damit sie aufgehen können, wenn wieder alles anders ist und anders werden soll.