25.01. – 11.02.2019

25.01.2019

10.30 Uhr Balance-Kurs. Dieser Kurs erfordert ein gutes Gedächtnis und wie Mari tausendmal betont: Reflexion, Reflexion und noch einmal Reflexion. Was immer dies ist, ich kriege es nicht so hin wie sie und auch mein Gedächtnis ist zu schwach, um die von ihr gezeigten Übungen sofort und ohne Fehler und, das ist das WICHTIGSTE!, mit Grazie nachzuturnen.

Ich bin Gott froh, dass ich das mit dem Film gleich zu Anfang abgelehnt habe, die 2. Vorturnerin grüßt mich seitdem zwar nicht mehr so freundlich, doch das nehme ich in Kauf. Jeden Tag meine Verrenkungen vorgeführt zu bekommen, wäre wesentlich schlimmer für mich.

Oh wie gerne wäre ich auch gelenkiger, dehnbarer, graziöser in meinen Bewegungen. Wie pflegt Monika zu sagen:”Wir sind eben gelenkig wie ein Geländer…” Ja, man kann nicht alles haben, ich kann dafür andere Dinge, auch wenn sie mir hier an der Stelle nicht gleich einfallen und die letzten 55 Jahre lebte ich auch schon damit, dass meine Fingerspitzen beim Beugen gerade mal bis zu meinen Knien langen. Das liegt wohl an meinen langen Beinen (ich weiß, dass das nicht stimmt, aber manchmal ist die Wahrheit schwer zu ertragen)….

11.02.2019

18 Tage Funkstille. Für alle die es wissen wollen: “Ich lebe noch, gefühlt gerade noch so.” Irgendein böser Infekt, oder böser Geist hat mich niedergestreckt und ich kämpfe an der Seite von Kortison immer noch gegen ihn.

Thomas hat zuerst geschwächelt und ich, solidarisch wie ich bin, habe mich an seine Seite gelegt und die Bakterien, oder Viren, oder Geister mit ihm geteilt, mit dem Ergebnis, dass er sie loshatte und sie in meinen alleinigen Besitz übergingen. Ich habe wohl, wie so oft in meinem Leben, nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht, dass ich davon nichts haben will.

Nun habe ich es und auch wie “immer” lassen mich solche Sachen nur ungern los. So verbrachte ich die letzten Jahre, Monate, Wochen… nein genau 18 Tage schmerzgeplagt im Bett, auf der Couch und in besseren Stunden im Liegestuhl in der Sonne und frage mich, wie ich denn so schwach sein konnte, um mir dies einzufangen.

Tausend Fragen und Gedanken schießen mir durch den Kopf und dieser tut mir so weh, dass ich das Gefühl habe, jeder Gedanke, jede Frage ist eine Kugel, die mir mein Hirn zermartert und wie immer ist Mensch dann alleine.

Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich mich selbst so schwer in diesem Zustand annehmen kann und niemanden zeigen will wie es mir geht, oder ob es hier eben keinen gibt, der mich kennt bzw. in diesem Zustand näher kennenlernen will, Tatsache ist, ich fühle mich sehr alleine.

Thomas sorgt dafür, dass die wenigen Kontakte zur Außenwelt seine alleinigen bleiben und falls doch einmal jemand zu uns kommt, soll ich nicht Teil der Gespräche sein. Er tourt mit dem Moped umher und außer für das Kochen hat meine Anwesenheit für mich gefühlt, keine Bedeutung hier. Ja, ich fühle mich unter all diesen fremden Menschen, am Ende der Sackgasse in der wir wohnen alleine und Telefonate mit meinen Lieben empfindet Thomas als anstrengend, dass sie für mich im Moment die wenigen Tore in eine andere Welt sind, kann er, der  mobil ist, nicht nachvollziehen.

Ich muss jetzt gut für mich sorgen und merke, dass ich dabei sehr eingeschränkt bin , mein gutes Netzwerk, das zu Hause funktioniert gibt es hier nicht und ich bin dankbar und freue mich sehr, dass meine liebe Nachbarin Emmy, die leider im Moment selbst sehr beschäftigt ist, jeden Tag kurz nach mir fragt und mich sobald sie ein bisschen Zeit hat besuchen will. Krank im Urlaub sein, an einem Ort, wo alle und alles so toll, so easy, so wundervoll ist, ist nicht passend. Bin ich hier nicht passend? Passe ich hier nicht her?

Ich will nicht ungerecht sein, wenn ich mich gut fühle, um ein bisschen frische Luft zu schnuppern treffe ich auch auf Menschen, denen ich schon einmal begegnet bin und die sich freuen mich zu sehen, mit mir fühlen können und sich ein Treffen wünschen, sobald es mir besser geht. Keiner will sich im Urlaub anstecken, manche bleiben weit von mir weg stehen, wie Thomas manche Tage auch und ich kann sie gut verstehen, auch ich wollte nicht krank sein (hier).

Das schöne Wetter, die Sonne, die Wärme ist nicht gleich Heimat. Ersetzt nicht die lieben Menschen, die Möglichkeiten, die ich zu Hause vorfinde – wobei das Wort Heimat, zu Hause mir heute auch Tränen in die Augen treibt, denn gibt es außerhalb von mir überhaupt noch einen Ort, wo ich ein zu Hause habe?

Krank, angeschlagen, hilflos ist es um ein vielfaches schwerer für die Befriedigung seiner Bedürfnisse zu sorgen und eine gute Fee, die einfach mal so hereingeschneit kommt ist mir noch nicht begegnet. Thomas fühlt sich  hilflos und sucht das Weite und ich liege hier und frage mich, was ich hier tue….

Ich musste jetzt ein bisschen aufs Papier jammern und weinen, es hilft mir klarer zu sehen und wenn es mir nicht bald besser geht, werde ich mit Monika nach Hause fliegen. Ihr Besuch ist das einzige worauf ich mich freue.

Überwintern ist nicht Urlaub machen, oder reisen. Es ist für eine begrenzte Zeit an einem anderen Ort wohnen und ich habe den Ort nicht ausgesucht, sondern wir sind hier irgendwie gestrandet…. mit dem gleichen Alltag wie zu Hause und mit ein paar mehr Einschränkungen, denn hier kommt das Wasser nicht ohne dass es eingefüllt wird aus dem Hahnen und hier benutzt man die Toilette nicht nur, sondern man entleert sie auch wieder. Ohne Thomas wäre ich gerade ziemlich aufgeschmissen und um noch mehr Hilfe zu bitten, ist meine Scham zu gr0ß, oder mein Stolz.

Ich sehne mich danach wieder zu reisen, auch nur ein bisschen drum herum zu reisen. Seit über 4 Wochen komme ich bis auf ganz kleine Ausnahmen nicht aus diesem Ghetto und wie es auf der einen Seite Schutz bietet, so fühle ich mich auf der anderen Seite eingesperrt…

Vielleicht muss ich mich an diesen anderen Wohnort erst gewöhnen, oder vielleicht ist es auch garnichts für mich und ich muss nach anderen Möglichkeiten suchen. Jetzt werde ich mich aufmachen und mit dem Rad spazieren fahren. Gott sei Dank habe ich mir ein E-Bike geschenkt, es erweitert meinen Radius und ich kann mich unterstützen lassen, bin selbstbestimmt. Selbstbestimmt zu sein ist ein Geschenk und wird immer erst dann richtig bewusst, wenn man auf die Hilfe anderer angewiesen ist und immer wieder darum bitten muss.

Morgen kann ich dann bestimmt etwas Neues berichten und etwas habe ich in der Zeit des Ruhens geschafft. Ich habe mit der Anleitung auf You Tube meine ersten Socken gestrickt und mir in der Bücherei schon 5 Bücher ausgeliehen, die ich allesamt mit großem Vergnügen gelesen habe….

Mir kleine Freuden in meinen Möglichkeiten geschenkt und die nächste Freude wird ein Mietauto sein, mit dem ich ein bisschen das Hinterland und die Küste rauf und runter entdecken will.

Das war mein größter Fehler hier, dass ich mich abhängig gemacht habe und nicht selbst für mein Bedürfnis hier rauszukommen gesorgt habe, doch ich kann ihn korrigieren und dazu will ich jetzt ganz schnell gesund werden und wenn ich in Zukunft einen Wunsch, oder ein Bedürfnis habe, dann werde ich mich nicht mehr vertrösten lassen auf unbestimmte Zeit, sondern selbst für die Erfüllung sorgen.

Es passiert mir leider immer wieder, dass ich mich abhängig mache, dass ich die Bedürfnisse von Thomas, anderen Menschen mehr wertschätze als meine eigenen. Das wir wohl eine lebenslange Übung für mich bleiben, mich in Beziehungen nicht zu verlieren und gut für mich zu sorgen. Mich und meine Bedürfnisse wertschätze und für ihre Befriedigung sorge. Wie sagte meine liebe Sabine: “Ich gehe zum Strand und was macht ihr so???”

Ja, ich muss mir das immer wieder bewusst machen, wenn ich nicht leiden will, ich bin es wert, meine Bedürfnisse zu befriedigen.

Seid gegrüßt aus dem sonnigen, warmen Spanien, das nicht meine Heimat ist und sein wird. Ich bin dankbar, dass ich ein Stück Heimat in mir habe, das mir hilft, mich nicht ganz verloren zu fühlen, wenn vieles wegbricht…..und deshalb muss ich wohl auch immer wieder inne halten, bei mir sein, denn wer inne hält, findet innen Halt….in diesem Sinne, es geht aufwärts mit mir…..