31.03.2019
3 Monate unseres geschenkten Jahres liegen schon hinter uns und ich hatte bis vor kurzem noch immer den Eindruck, dass das Jahr noch garnicht richtig begonnen hat, als ob wir immer noch nicht das Geschenk ausgepackt hätten, sondern uns mit unseren Sorgen und Ängsten beschäftigen würden.
Ich gehe davon aus, dass ich in meinen Gedanken ein Urlaubs-Jahr erwartete. Ein Jahr, wie zuvor die vielen Wochen, die wir Urlaub machten. Urlaub, an schönen Orten, mit schönen Landschaften, schönen Begegnungen, schönem Wetter, schönen Gedanken….
SCHÖN!!! Ich bin der Illusion erlegen, dass wir in unserem geschenkten Jahr ebenso nur den schönen Dingen begegnen, denen wir bislang, die meiste Zeit jedenfalls, im Urlaub begegnet sind, alles andere irgendwie nicht dazu gehören sollte.
Doch Langzeitreisen ist auch Alltag. Angefangen schon mit dem Umstand, dass wir nun als Ehepaar reisen.
Ich wünschte mir zwar von ganzem Herzen, dass sich durch unsere Heirat nichts in unserer Beziehung verändert, doch auch das ist eine Illusion. Mit jedem Schritt den wir gehen, verändert sich etwas und mir wurde bewusst, dass es meine (Be)-Wertungen sind, meine Gedanken, die etwas schön, oder weniger schön machen.
Als ich mir dieser Illusionen bewusst wurde und es gab und gibt sicherlich noch viel mehr, die ich garnicht alle erwähnen will, hat sich auf einen Schlag schon so einiges geändert, ohne, dass sich real etwas geändert hätte.
In mir hat sich etwas verändert.
Ich will so gerne darüber hinauswachsen zu werten, denn es verursacht mir mehr Leid, als Freude. Ich will das akzeptieren was ist, durchlässig sein und beobachten was es mit mir macht.
Wenn es Situationen sind, die ich verändern kann, will ich mein bisheriges Muster ändern, das AUSHARREN, AUSHALTEN war, um aktiv zu gestalten, auch Konflikte eingehen, denen ich mich bislang, auch ein altes Muster, lieber entzogen habe.
Ich habe bemerkt, wenn es mir gelingt, nicht gleich zu werten und damit alten Mustern keine Chance mehr gebe über mich hinweg zurollen, sondern ich innehalte, mich beobachte, was passiert in dieser, oder jener Situation mit mir, dann fühle ich mich handlungsfähig und nicht ohnmächtig meinem Unbewussten ausgeliefert, das in meinem Fall sehr viel Bedrohliches, Ängstigendes in mir herauf beschwört.
Das ist eine so wichtige Erkenntnis für mich.
Ein Beispiel dazu.
Vorgestern waren Thomas und ich in der Stadt unterwegs. Ich habe mich sehr darauf gefreut etwas Neues zu erkunden.
In meinen 55 Jahren bin ich Gott sei Dank noch nie überfallen, bzw. beklaut worden und so ziehe ich, wenn ich alleine bin mit meinem Rucksack und meinem Reiseführer los und lasse mich führen und auch dahin treiben, wo es mich hinzieht.
Hier in Granada passierte nun etwas Spannendes. Ich wollte, nachdem wir unseren Campingplatz mitten in der Stadt bezogen haben am liebsten gleich los, so fasziniert war ich von denen im Reiseführer angebotenen Sehenswürdigkeiten und ich fühlte mich in meinem Körper gut und sicher, um in dieses Abenteuer zu starten.
Thomas war sich nicht sicher, ob er mitkommen will und ich sagte ihm, dass ich mich auch alleine auf den Weg mache, das passte ihm dann nicht und er beschloß doch lieber mitzukommen, ich fühlte seine Unsicherheit und ich leistete ihr innerlich Widerstand, da ich den Tag genießen wollte. Ich packte den Rucksack und war startklar. Er befragte mich dann mehrfach, wo ich meine Wertsachen verstaut habe. Ich konnte in seinen Gedanken alle möglichen Gefahren lesen, Gefahren über die ich mir nicht soviele Gedanken machte.
Wir standen dann an einer Bushaltestelle und viele Menschen drängten sich eng heran, ich spürte, wie ich innerlich Widerstand gegen diese Situation leistete, obwohl es keinen realen Grund dafür gab, außer Thomas Befürchtungen. Meine Wertsachen waren sicher verstaut und ich achtete auf mich und das Umfeld.
Abends als ich im Bett lag und den Tag Revue passieren ließ, wurde mir bewusst, dass ich das nicht will. Ich will keinen Widerstand leisten, obwohl es noch gar keinen Grund dafür gibt. Widerstand kostet mich Kraft und Energie. Ich will im Fluss mitfließen und achtsam sein, beobachten, um dann falls es erforderlich ist, meine ganze Energie für eine Aktion zu nutzen.
Widerstand kostet mich Energie. Widerstand entsteht in mir, wenn ich schon im Vorfeld werte, etwas fürchte, das wahrscheinlich nicht eintrifft.
Es fühlt sich an, wie wenn ich eine schwere Rüstung tragen würde, obwohl ich überhaupt nicht auf dem Schlachtfeld stehe. Gerüstet bin für alle Fälle, die sicher nie eintreten.
Thomas Ängste sind seine und nicht meine, doch ich identifiziere mich oft mit den Meinungen und Ängsten anderer, mache sie damit ungewollt zu meinen eigenen.
Wenn ich aber offen bin, durchlässig und mich und mein Umfeld wahrnehme und beobachte, kostet mich das keine Energie und falls ich dann handeln muss, Widerstand leisten will, dann steht mir meine Kraft und Energie zur Verfügung.
Wie keine unserer bisherigen Reisen, ist diese Reise ein Prozess, ein Weg, der uns immer und immer wieder Möglichkeiten schenkt uns selbst zu erfahren, uns zu beobachten, alte Muster zu erkennen und Wertungen loszulassen.
Mit der Wertung, den Erwartungen, dass unsere Reise, dieses wundervolle Geschenk ein freies Jahr zu genießen “immer” schön und einfach sein muss, um wertvoll und ein Genuss, bzw. ein Geschenk zu sein, machte ich es dann oft zu einer leidvollen Erfahrung, wenn dem nicht so war. Wenn der Alltag zugeschlagen hat, ich krank war, wenn es nicht ganz so lief wie erhofft, wenn täglich neu entschieden werden muss bleiben, oder gehen und immer neue Herausforderungen an uns heran getreten sind.
Ich bin einer Illusion erlegen und freue mich sehr darüber, dass es mir bewusst wurde, dass ich, wir und unsere Reise als Ganzes wertvoll sind. Licht und Schatten dazu da sind, überwunden zu werden, um sie als das EINE zu sehen, das was ist.
Es gibt nur das was ist. Jetzt hier und heute und um diese Erkenntnis zu gewinnen, habe ich die letzten Wochen das Geschenk bekommen sehr viel schmerzhaftes zu erfahren.
Oft hatte ich nicht die Möglichkeit dies zu ändern, es war, so wie es war.
Doch meine Gedanken darüber, die kann ich ändern und ich glaube, dass meine Gedanken mir den größten Schmerz verursacht haben.
Meine Gedanken, die ständig werteten ob es nun gut, oder schlecht war, ob das Ungute nie wieder weg geht, oder noch schlimmer wird, ob das Schöne so bleibt…ob, ob….
Manche Tage meines Krankseins ging es mir so schlecht, dass ich mir nicht mal mehr Gedanken machen konnte und ohne diese Gedanken war ich ganz im Hier und Jetzt und konnte die meiste Zeit das tragen, was mir auferlegt war, die Sorgen um morgen, um unsere Reise, dieses Zusatzgewicht wog oft viel schwerer, als das was in dem Moment zu tragen war und ließ mich mehr leiden….
Nur für den heutigen Tag sorgen, jeder gut gelebte Tag ist eine gute Voraussetzung für ein gutes Morgen und im Rückblick für ein gut gelebtes Leben…. Zig solcher Zitate habe ich schon gelesen, doch erst jetzt merke ich wie schwer es mir an den “schlechten” Tagen gefallen ist danach zu leben. Wie groß die Ängste und Befürchtungen vor dem Morgen waren, oder wie groß der Schmerz über den Verlust des Vergangenen war.
Ich will mich von der Illusion befreien, dass alles immer nur schön und einfach sein muss, um gelungen zu sein, denn ohne dieses Werten ist alles wie es ist.
Ich will mich beobachten, ob mir etwas gut tut, oder nicht und entsprechend handeln, wenn dies möglich ist und wenn es nicht in meiner Macht liegt, dann ist es, so wie es ist und meine Gedanken sollen es so sein lassen.
Von dieser Warte aus gesehen, war unsere bisherige Reise ein großes Geschenk. Ein Geschenk, das mir viele Erkenntnisse geschenkt hat, über mich und wie ich ticke.
Diese Reise hatte bisher vordergründig nicht das Ziel die Landschaft um mich herum kennenzulernen, nein, sie hat wohl ein anderes Ziel, dessen ich mir nicht bewusst war bei Antritt der Reise, doch wer weiß, vielleicht sehnte sich mein Unbewusstsein danach diese Erfahrung zu machen und das eine schließt das andere ja nicht aus, sondern, wenn ich es will mit ein.
In einem Buch von Deepak Chopra, das mir, ohne dass ich es gewünscht hätte, vor ein paar Wochen geschenkt wurde steht:
Der Sinn des Lebens ist:
– herauszufinden, wer sie wirklich sind
– zu wachsen und sich weiterzuentwickeln
– höhere Bewusstseinszustände zu erreichen
– das Göttliche zu erfahren
– Erleuchtung zu finden.
Nun, nach seinen Ausführungen sind wir ja mit unserer Reise auf dem besten Weg und ich bin mir sicher, dass zu diesem Weg auch die Begegnungen mit so unterschiedlichen Menschen gehören.
Die vielen menschlichen Begegnungen, die wir auf unserer Reise machen helfen uns auf diesem Weg, denn wie heißt es so schön: “Ihr werdet euch im anderen erkennen…” und diese Möglichkeit nutzen wir, wann immer sich uns die Gelegenheit dazu bietet, wir laden Menschen in unser kleines Heim ein und teilen mit ihnen was wir haben und sie teilen mit uns.
Wir danken all den Menschen, die uns Raum und Zeit zur Begegnung schenken und mit uns teilen, auch ihre Ängste und Sorgen. Wir bieten anscheinend, ohne uns dessen bewusst zu sein, einen besonderen Raum, in dem sich fremde Menschen öffnen und von sich erzählen und wir miteinander teilen.
Der Gedanke, unsere Reise führt uns näher zu uns selbst und näher zu anderen Menschen, näher zu Gott und wir schenken anderen Menschen den Raum sich selbst mit uns zu begegnen und ihrer Göttlichkeit erfüllt mich mit Dankbarkeit, es hat Sinn.
Ich will Landschaften, Länder, Menschen nicht konsumieren, sondern mich auf sie einlassen, mich ihnen öffnen, um mich darin selbst zu sehen, als Teil des Ganzen und ganz nebenbei die wundervolle Schöpfung genießen, die in uns und um uns zu erleben ist.